Das Jahr, das ich in den 1960er Jahren in Südamerika verbrachte, hat mein Leben vollständig verändert. Zum ersten Mal in meinem Leben war ich nicht mehr vorwiegend fremdbestimmt, sondern frei und unabhängig. Dazu musste ich allerdings erst volljährig werden, sonst hätte mein Vater mir nicht erlaubt zu fahren.
Die ersten zwanzig Jahre meines Lebens waren meist nicht schön. Ich wurde während des zweiten Weltkriegs im früheren Ostpreußen und jetzigen Russland geboren. Meine behütete Kindheit dauerte allerdings nicht lang, wir mussten vor der Roten Armee nach Österreich fliehen. Dort zerstörte eine amerikanische Fliegerbombe das Haus, in dem wir untergekommen waren, und ich war einige Stunden verschüttet. Nach Kriegsende wurden wir als Deutsche aus Österreich vertrieben, und so landeten wir in Oberbayern, ohne Besitz und als Flüchtlinge unerwünscht. Manchmal habe ich gehungert, und ich war sehr ängstlich. Als mein Vater nach mehr als drei Jahren endlich eine Stelle im Rheinland fand, zogen wir dorthin. Es war nicht leicht mit einem sehr autoritären und cholerischen Vater. Ich habe immer versucht, mich möglichst unsichtbar zu machen, weil ihm gelegentlich „die Hand ausrutschte“. Auch die meisten Lehrer waren autoritär und duldeten keine eigene Meinung. Nach dem Abitur musste ich auf Anordnung meines Vaters noch ein Jahr lang die Höhere Handelsschule besuchen, bevor ich studieren konnte; damals war man erst mit 21 Jahren volljährig.
Während der Semesterferien arbeitete ich oft bei der Firma Bayer Leverkusen AG im Sekretariat. Dort sah ich kleines Buch, in dem alle Filialen der Bayer-Vertretungen im Ausland aufgelistet waren, unter anderem auch die Filialen von Mexiko und Argentinien. Ich hatte immer viel über ferne Länder gelesen und wollte gerne das sechsmonatige Praktikum, das ich für das Studium benötigte, in einem dieser beiden Länder machen.
Ich schrieb einfach beide Vertretungen an. Von der Vertretung in Mexiko-City hörte ich lange nichts (eine positive Antwort kam erst nach 4 Monaten), von der Bayer-Vertretung in Buenos Aires bekam ich dagegen umgehend eine Zusage. Sie wollten mich für sechs Monate als Praktikantin beschäftigen, mir bei der Zimmersuche helfen und 300 DM pro Monat zahlen. Das scheint heute sehr wenig zu sein, damals reichte es bei bescheidener Lebensweise. Daraufhin bemühte ich mich um ein Reisekostenstipendium, das ich auch erhielt. Fliegen war damals utopisch teuer, aber es gelang mir, ein Ticket auf einem Auswandererschiff zu bekommen: 1850 DM kostete die Hin- und Rückfahrt, die restlichen 350 DM konnte ich hinzuverdienen. Ich konnte mein „Abenteuer Südamerika“ beginnen.
Auf dem Hauptbahnhof in Köln verabschiedete ich mich von meiner Mutter, die ihre Tränen kaum unterdrücken konnte, da sie befürchtete, mich nie wiederzusehen. Reisen in andere Länder außerhalb Europas waren damals fast unvorstellbar, besonders für eine junge allein reisende Frau wie mich. In Hamburg übernachtete ich in der Jugendherberge, da das Schiff von dort abfuhr. Nun war mir doch sehr mulmig zumute, ich war das erste Mal allein von zu Hause weg, dazu noch so weit und so lange.
Hamburger Hafen
Es war eine sehr einfaches Schiff. Die Kabinen waren kaum größer als 10 qm, jeweils 3 Stockbetten für insgesamt 6 Personen, für jeden eine Schublade unter den Betten. Es waren nur Geimeinschaftstoiletten vorhanden, ähnlich wie in einer Schule. Im „Speisesaal“ gab es Holztische und Holzbänke und vor allem ein Klavier, auf dem ich glücklicherweise spielen konnte. Alles war fest im Boden verschraubt, damit bei Sturm die Möbel nicht durch den Raum flogen. Als Luxus gab es ein „Schwimmbad“, es war ein ca. 3 mal 3 m großes Becken, das mit einer Plane ausgelegt war. Außer mir waren noch einige andere junge Leute an Bord, brasilianische Studenten, die in Paris studiert hatten und jetzt zurückkehrten, außerdem einige ungarische junge Leute und mehrere französische Studenten. Wir freundeten uns schnell an und unternahmen vieles gemeinsam, dadurch vergingen die drei Wochen wie im Flug.
Der erste Hafen, den wir anliefen, war Vigo in Nordspanien. Dort stiegen etwa 500 Auswanderer zu, die entweder Verwandte in Lateinamerika hatten oder die das „Abenteuer Auswandern“ wagten. Damit war das Schiff voll.
Vigo, Nordspanien
Kurz nach der Abfahrt von Vigo kam ein kleiner Sturm auf, und mehr als die Hälfte der Passagiere wurde dadurch seekrank. Viele von ihnen blieben noch tagelang in ihren Kabinen, auch als sich das Wetter längst wieder beruhigt hatte. Für mich und die anderen jüngeren Mitreisenden war das ein Vorteil, denn es wurde im Speisesaal und auf Deck wesentlich leerer, sogar als wir die Kanarischen Inseln längst hinter uns gelassen hatten.
In Las Palmas auf Gran Canaria, dem nächsten Halt unserer Schiffsreise, erkundete ich zusammen mit einigen der Studenten die interessante Insel. Für mich war es das erste Mal, dass ich kanarischen Boden betrat.
Schöne Strände auf Gran Canaria
Kirche im Inselinneren
Das Wetter blieb nach dem Auslaufen aus Las Palmas die ganze Atlantiküberquerung immer schön, und wir konnten das Schwimmbad benutzen. Als wir den Äquator überquerten, wurde eine Äquatortaufe veranstaltet, von der ich schon Schlimmes gehört hatte, denn diejenigen, die getauft werden sollten, bekamen einen Brei aus Mehl und Wasser in die Haare geschmiert und wurden anschließend in das Schwimmbecken geworfen. Das wollte ich nicht so gerne über mich ergehen lassen, deshalb kletterte ich in ein Rettungboot, von dem ich einen guten Überblick über die Zeremonie am Schwimmbecken hatte. Als man mich dennoch entdeckte, wollte ich schnell weg, brach mir aber in der Eile drei Rippen, die mich lange Zeit plagten. So wurde ich doch noch entgegen meinem Willen „getauft“. Die Mehl-Wasser-Mischung konnte ich später nicht vollständig aus den Haaren herauswaschen, ich musste einen Teil meiner damals langen Haar abschneiden.
Äquatortaufe auf dem Schiff
Danach fuhren wir vorbei an den brasilianischen Inseln Fernando de Noronha mit der markanten Silhouette in Richtung Brasilien.
Fernando de Noronha
Der erste Hafen, den das Schiff in Südamerika anlief, war Santos. Dort stiegen die meisten Studenten aus, um in irgendeine andere Stadt weiterzufahren, und es wurde fast leer auf dem Schiff. In wenigen Tagen würden wir Buenos Aires als letzte Station der Seereise erreichen, und ich begann, mir etwas Sorge zu machen. Was wäre, wenn mich im Hafen niemand von der Bayer-Vertretung erwarten würde, wenn es ein Missverständnis hinsichtlich des Ankunftsdatums gegeben hätte? Ich fragte mich, wieso ich so naiv sein konnte, mich in solch ein Abenteuer zu stürzen, ich hatte kaum Geld und vor allem kein Visum. Ohne Visum durfte ich argentinischen Boden nicht betreten.
Als wir in Buenos Aires ankamen, drängten sich die Passagiere an der Gangway, um nach der langen Seefahrt möglichst schnell von Bord zu kommen. Am Pier warteten bereits viele Leute, die winkten und den Ankommenden etwas zuriefen. Ein Passagier nach dem anderen verließ das Schiff, nur ich stand noch allein an Deck und versuchte vergeblich, am Pier jemanden entdecken, der mir ein Zeichen geben würde, dass er mich erwartete. Mich erwartete offensichtlich niemand, ich konnte das Schiff nicht verlassen. Die Schiffsbesatzung, mit der ich mich während der langen Überfahrt gut verstanden hatte, versuchte mich zu trösten. Sie sagten, dass für die Rückfahrt noch Kabinen frei wären und dass ich nichts dafür bezahlen müsste. Ich brauchte nur etwas in der Küche helfen und zur Unterhaltung abends Klavier spielen. Das war sehr nett gemeint, aber es war nicht das, was ich mir vorgestellt hatte. Ich konnte bereits das markante Gebäude des Edificio Kavanagh in der Nähe des Hafens sehen, aber ich durfte nicht an Land gehen. Ich wollte keineswegs zurück nach Deutschland, ich wollte endlich in Argentinien am „Ziel meiner Träume“ sein.
Edificio Kavanagh, Bahnhof und Hafen, im Hintergrund der Rio de la Plata
Plötzlich kam jemand vom Schiff freudestrahlend auf mich zu und sagte mir, dass unten zwei Herren der Bayer Argentina auf mich warteten. Sie waren schon einmal beim Einlaufen des Schiffes im Hafen gewesen, aber da sie mich unter den vielen Leuten nicht gesehen hätten, waren sie der Meinung, dass mich bereits jemand zu der nahe gelegenen Firma mitgenommen hätte. Da ich nicht dort war, waren sie zurückgekehrt. Ich kann kaum beschreiben, wie erleichtert und glücklich ich war.
Die Zeit in Argentinien war für mich insgesamt eine unbeschwerte und glückliche Epoche. Es war alles so anders als in Deutschland, die Menschen waren entspannter und freundlicher. Nur zu Beginn des Aufenthaltes gab es noch einen Tiefpunkt für mich. Man hatte für mich in der Nähe der Firma ein Zimmer bei einer alten, adligen Dame besorgt, die deutscher Herkunft war. Man glaubte, mir damit einen Gefallen zu tun, so hätte ich zunächst die Möglichkeit, deutsch zu sprechen und mich dann langsam einzugewöhnen. Mein Zimmer war sehr klein und dunkel, das einzige Fenster ging zu einem Lichtschacht, und es kam kaum Tageslicht hinein. Um ins Bad zu gelangen, musste ich das Wohnzimmer durchqueren, in dem sich fast Tag und Nacht die alte Dame befand und meine Tätigkeiten beobachtete. Als ich eines Nachts ins Bad wollte und dafür Licht anmachte, sah ich Hunderte von riesigen schwarzen Cucarachas auf dem Fußboden krabbeln, der ganze Boden war voll von ihnen, ich konnte kaum treten. Auch im Wohnzimmer waren die Tiere in Scharen, vor allem um den Teller mit dem Fressen für den Kater. Danach wurde ich richtiggehend krank, ich bekam hohes Fieber und fühlte mich sehr elend. Der Grund dafür konnte der Ekel vor den Cucarachas sein oder auch Heimweh, das ich danach nie wieder bekam. Ich suchte mir schnellstens eine andere Bleibe und fand ein Zimmer bei einer argentinischen Familie mitten im Zentrum an der breiten Prachtstraße Av. 9 de Julio.
Av. 9 de Julio mit dem Obelisk, rechts das Haus, in dem ich kurz wohnte
Die Familie war zwar sehr nett und herzlich, aber auch sehr besitzergreifend, vor allem die Kinder. Ich hatte Tag und Nacht Familienanschluß, das wurde mir dann doch zuviel. Ein Glücksfall für mich war, dass eine junge Bayer-Angestellte eine Mitbewohnerin für ihr kleines Häuschen im Stadtteil Olivos suchte. Das war für mich wie ein Treffer im Lotto. Wir verstanden uns sehr gut, und Marianne wurde eine richtige Freundin für mich.
Wenige Wochen nach meiner Ankunft erlebte ich, wie ein argentinisches Betriebsfest in Form eines Asado, einer Art riesigen Grillfestes, gefeiert wurde. Es fand auf dem etwa 50 km entfernten betriebseigenen Gelände statt, das der Bayer Argentina gehörte. Die Männer bereiteten alles für das Grillen von halben Rinder- und Schweinehälften, der Würstchen und der Innereien zu.
Die Frauen beschäftigten sich inzwischen mit dem Vorbereiten von verschiedenen Salaten und Nachtischen und dem Decken der Tische.
Die „Grillmeister“, Betriebsangehörige der Bayer Argentina
Die Eröffnungsrede hielt der Chef der Bayer Argentina, Emil von Behring. Erst nach meiner Rückkehr erfuhr ich, dass der Sohn des ersten Nobelpreisträgers für Medizin, ebenfalls Emil von Behring, war. In der damaligen Zeit spielten Herkunft und Titel keine wesentliche Rolle.
Emil von Behring (ich sitze gegenüber mit Sonnenbrille)
Emil von Behring war ein strenger, aber gerechter Chef. Das merkte ich, als die Urlaubsvertretung für seine Sekretärin übernahm. Ich kam sehr gut mit ihm aus.
Von unserer Wohnung in Olivos aus konnten Marianne und ich mit dem Vorortzug bis zur Endstation Retiro fahren, von dort aus war es ein etwa 10minütiger Fußweg bis zum Büro. Meist nahm uns ein älterer Bayer-Angestellter mit seinem VW mit. Wir fuhren dann immer auf der Uferstraße des Rio de la Plata, und ich erinnere mich gerne an die wunderschönen Sonnenaufänge besonders im argentinischen Winter, wenn wir am breiten Rio de la Plata entlangfuhren und die Sonne langsam das Wasser des Flusses golden färbte. Der Fluss ist dort so breit, dass man die andere Flusseite in Uruguay nicht sehen kann.
Sonnenaufgang über dem breiten Rio de la Plata
Vor der Arbeit tranken wir immer im Stehen einen Espresso in einer nahe gelegenenen Bar – das war damals so üblich – und trafen dort noch verschiedenen andere Bayer-Angestellte, mit denen wir uns unterhielten.
Mit der Chefsektretärin Angela freundete ich mich schnell an, wir sind noch heute nach so vielen Jahrzehnten befreundet. Angela lud mich oft in ihr Elternhaus ein, und dort lernte ich auch ihre Familie kennen und wohnte bei ihnen einige Zeit nach meiner Rückkehr aus Mittel- und Südamerika.
Chefsekretärin Angela und Emil von Behring
Auch mit anderen Angestellten hatte ich viel Kontakt, vor allem mit Nilda, deren Mutter mich wie eine Tochter aufnahm. Insgesamt war die Atmosphäre während der Arbeit in der Abteilung der Bayer Argentina sehr entspannt und angenehm Atmosphäre. Am Wochenende fuhren viele von uns oft gemeinsam mit dem Vorortszug ins Tigre-Delta , wo eine Bayer-Angestellte ein kleines Haus besaß.
Tigre-Delta
In Buenos Aires spielte damals die Kunst eine sehr große Rolle: in dem weltbekannten Teatro Colón mit 2500 Sitz- und 1000 Stehplätzen gab es zahllose Theater-Aufführungen, Opern und Konzerte.
Teatro Colón
Es wurde überall viel getanzt, vor allem Tango. Besonders der Straßentango war legendär.
Tango Argentino
Es gab gab außerdem viel Kleinkunst. Vor allem das damals angesagte Künstlerviertel La Boca mit den vielen Ausstellungen gefiel mir gut.
Künstlerviertel La Boca
Zusammen mit der Rundreise durch Süd- und Mittelamerika, die ich im Anschluss an das Praktikum machte, gehörte das Jahr zu den schönsten Zeitabschnitten meines Lebens.
Von meinen Reisen nach Mexiko, Ecuador, Peru und über meine vierwöchige Reise mit dem Bus von Buenos Aires nach Rio de Janeiro im Anschluss an das Praktikum habe ich in den folgenden Beiträgen berichtet:
https://seniorenumdiewelt.wordpress.com/2020/07/02/reise-nach-mexiko-1963/
https://seniorenumdiewelt.wordpress.com/2018/03/09/ecuador/
https://seniorenumdiewelt.wordpress.com/2018/03/14/durch-die-hochtaeler-der-anden-in-peru/
https://seniorenumdiewelt.wordpress.com/2020/07/25/von-buenos-aires…-de-janeiro-1963/
(Der Text wurde in ähnlicher Form bereits einmal veröffentlich, er war jedoch plötzlich verschwunden, leider auch die netten Kommentare, und trotz kompetenter Hilfe nicht mehr auffindbar. Deshalb habe ich ihn noch einmal neu geschrieben.)
Ich kann mich erinnern, dass ich diesen Text auf Deinem Blog schon einmal las und auch kommentierte, liebe Marie. Eigenartig, dass er plötzlich verschwunden ist. Gut, dass Du eine Kopie aufbewahrt hast und ihn nochmals präsentieren kannst.
Dies war eine ganz besondere Phase in Deinem Leben, es war eine wichtige Entwicklung, alleine zu reisen, im fremden Land zu arbeiten, unabhängig zu sein. Das hast Du sehr gut bewältigt.
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Ganz herzlichen Dank, liebe Olivia, für Deine netten Worte. Es ist richtig, dass Du bereits einmal sehr nett kommentiert ist, als der Artikel zum ersten Mal veröffentlicht war. Ich weiß nicht, warum der Artikel – zusammen mit einigen anderen Daten – verschwunden ist. Ich habe Fachleute gefragt, aber auch die konnten nicht helfen. Sogar die Kopie mit einigen Bildern war verschwunden, ich habe versucht, so gut wie es geht, zu rekapitulieren.
Für mich und mein weiteres Leben war dieses Loslösen von allem ungemein wichtig, um endlich selbstständig zu werden. Ich habe aber auch viel Glück gehabt, dass alles gut gegangen ist.
Auch Du bist unglaublich viel gereist und hast aus Deinem Leben sehr viel gemacht. Darauf kannst Du stolz sein. Liebe Grüße Marie
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Wir haben etliches gemeinsam, liebe Marie. Wir haben beide Sprachen studiert. Wir haben beide an Gymnasien in Deutschland unterrichtet. Wir sind beide rund um die Welt gereist. Und zu guterletzt: wir haben beide einen interessanten Blog.
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Wir haben tatsächlich vieles gemeinsam, liebe Olivia. Das findet man nicht so oft.
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Den Kommentar von Maria hatte ich glücklicherweise gespeichert, weil ich darüber noch ein wenig nachdenken wollte, bevor ich darauf antwortete.
Anbei der Kommentar von Maria von Meereskindblog zu Abenteuer Südamerika
Liebe Marie, danke für dein Beitrag. Ich musste ihn mir zunächst speichern und habe ihn dann Abschnitt für Abschnitt gelesen. Denn es erinnert mich sehr an die Migration meiner Eltern aber auch an die meiner Verwandtschaft, welcher nach Somalia und nach Venezuela und Argentinien emigrierten. Manche von ihnen sind nie wieder zurückgekehrt. Vor allem finde ich es sehr stark und mutig von dir, dass du dich von den Fängen deines Vaters lösen konntest. Das du trotz schwerer Jugend und ohne Unterstützung, dein Abitur gemacht hast. Was zu deiner Zeit nicht einfach war. Das glaube ich dir, das dich Südamerika geprägt hat. Denn es war für die damalige Zeit tatsächlich eine andere Welt die noch im Aufbau war und weit weg von Deutschland. Nicht so wie heute wo man sich günstig ein Flug bucht und ein Kurztrip macht. Sehr berührt hat mich auch die Passage in welcher sich deine Mutter von dir verabschiedet hat. Es muss für deine Mutter eine ungewisse Zeit gewesen sein. Denn du hättest auch für immer dort bleiben können. Solche Lebenserfahrungen machen stark und frei und man kommt zu der Erkenntnis, dass es Kulturen gibt, wie in Argentinien welche ganz anders mit dem Alltag umgehen. Sie leben mit dem Tag ohne ständig etwas erzwingen zu wollen. Zudem ist es ein sehr gläubiges Volk, die sehr viel in ihren Gemeinden leben. Ihre Feste feiern und sich untereinander auch helfen. Das macht das Leben in Südamerika leichter. Mein Onkel hat sehr oft darüber gesprochen. Ich lasse noch eine Weile den Beitrag gespeichert, damit ich immer wieder ein bisschen darin lesen kann. Ich finde in diesem Beitrag vieles von mir selbst. Ich wünsche dir einen schönen Sonntag mit einem Gruß aus dem sonnigen Schwarzwald, Maria
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Liebe Maria, lieben Dank für Deinen ausführlichen Kommentar. Ich brauchte erst einmal etwas Zeit zum Nachdenken, weil Deine einfühlsamen Worte gerade in Bezug auf meine Mutter wieder vieles aus der Erinnerung hervorgeholt haben, besonders die überwiegend negative Rolle, die mein Vater in meinem und vor allem im Leben meiner Mutter gespielt hat. Ich selbst wurde zwar durch den Südamerika-Aufenthalt selbstständig und unabhängig, meine Mutter war jedoch bis an ihr Lebensende an meinen Vater gebunden. Ich konnte mich jedoch nicht vollständig von ihm lösen, weil ich regelmäßig zu meinen Eltern gefahren bin, um meiner Mutter bei vielem zu helfen. Leider profitierte mein Vater sehr davon, aber bei den Besuchen ging es mir allein um meine Mutter, die durch die Flucht von ihren Verwandten, Freunden und ihrer Heimat getrennt wurde und Unterstützung brauchte.
Was mir an Deinem Kommentar auch besonders gefallen hat, sind Deine guten Kenntnisse der anderen Lebensauffassung der Argentinier und was sie so sympathisch macht, vor allem die Herzlichkeit und Hilfsbereitschaft fand ich überwältigend. Ich habe dort viele italienischstämmige Argentinier kennengelernt, die Mutter meiner besten argentinischen Freund kam ursprünglich aus Italien. Es war für mich in jeder Hinsicht ein großer Gewinn, den damals für mich gewaltigen Schritt zu wagen, aber er hat mein weiteres Leben bestimmt. Ebenfalls sonnige Grüße aus der Kölner Bucht. Marie
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Was Du über die Herzlichkeit und Hilfsbereitschaft der Argentinier schreibst, habe ich bei den Brasilianern kennengelernt. Als ich für die Lufthansa arbeitete, gehörten zwei brasilianische Kollegen zu meinen besten und zuverlässigsten Freunden. Ein so grosses Herz, wie diese beiden es hatten, habe ich selten erlebt. Die Mentalität in Lateinamerika scheint sich generell stark von der europäischen zu unterscheiden, liebe Marie. Ich liebe den südamerikanischen Kontinent, so weit ich das Glück hatte, ihn zu bereisen und kennzulernen.
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Es freut mich sehr, dass Du auch die Herzlichkeit und Hilfbereitschaft der Südamerikaner kennengelernt hast, liebe Olivia. In Deutschland findet man diese bewundernswerten Eigenschaften leider nicht so häufig.
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Generell sind in Europa die Hilfsbereitschaft und Herzlichkeit keine besonders oft anzutreffenden Eigenschaften.
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In Südeuropa, besonders in Italien, findet man beides öfter. Die Südeuropäer, Italiener, Spanier und Portugiesen, stellen auch den größten Anteil an Einwanderern nach Südamerika.
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Meine persönlichen Erfahrungen mit Italienern sind nicht positiv, aber Spanier und Portugiesen, soweit ich sie kenne, schätze ich sehr.
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Hat dies auf Ned Hamson's Second Line View of the News rebloggt und kommentierte:
Google translation of title and first sentence: Adventure South America in the 1960s – The year I spent in South America in the 1960s completely changed my life. For the first time in my life, I was no longer predominantly controlled by others, but free and independent.
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