Ein Tag bei tibetischen Nomaden

Als unser tibetischer Gastgeber uns anbot, ihn für einen Tag zu tibetischen Nomaden im Hochland zu begleiten, sagten wir sofort zu, Für uns war das eine einzigartige Möglichkeit, die authentische Lebensweise dieser Ethnie in ihrem Umfeld kennenzulernen, in die großartige Landschaft einzutauchen und eine Jahrtausende alte Kultur kennenzulernen.

In der Ferne sahen wir am Fuß der Berge die ersten Yak-Herden. Dadurch dass wir uns bereits in einer Höhe von mehr als 4.000 Meter befanden, wirkten die schneebedeckten Berge im Hintergrund nicht ganz so mächtig.

Vorne rechts eine gelbe tibetische Gebetsfahne, die am Zaun hängengeblieben ist

Die bunten buddhistischen Gebetsfahnen, die mit heiligen Mantras oder Gebeten bedruckt sind, sieht man an vielen Orten der Hochebene, sie gehören zum Landschaftsbild dazu. Sie sollen nach tibetischem Glauben durch die Energie des Windes die Umwelt harmonisieren und zunehmend Glück und Frieden unter den Lebewesen verbreiten.

Tibetische Gebetsfahnen sind sehr verbreitet, oft auf der höchsten Stelle eines Hügels

Jede der fünf Farben der Gebetsfahnen steht für jeweis ein Element: Blau für die Leere (den Raum, den Himmel), Weiß für die Luft (die Wolken, den Wind), Rot für das Feuer, Grün für das Wasser und Gelb für das Erdelement.

Durch Regen und Wind verblassen die aufgedruckten Mantras und Gebete allmählich, bis sie ganz verschwunden sind. Dann werden wieder neue Gebetsfahnen aufgehängt.

Gras- und Steppenlandschaft in der Hochebene

Es ist eine karge Gras- und Steppenlandschaft, in der die Nomaden leben, die wir besuchten. Aufgrund des niederschlagsarmen Klimas sind nur die Gebirgszüge am Rand des Plateaus mit Schnee bedeckt.

Zelte und Jurten tibetischer Nomaden, im Hintergrund Yaks am Fuß der Berge

Schon bald sahen wir die ersten Yak-herden von nahem. Die Tiere sind nicht nur an die extremen Höhenlagen zwischen 3000 und 6000 Metern angepasst, sondern sie begnügen sich auch mit einer sehr spärlichen Vegetation. Wenn in strengen Wintern überall Schnee liegt, können sie die Schneedecke bis zu einer Dicke von 30 Zentimetern wegscharren.

Die erste Yak-Herde von nahem

Die Yaks werden als „Schatz des Hochlandes“ bezeichnet, denn Hausyaks sind die wichtigste Nahrungsquelle in abgelegenen Gebirgsregionen, da sie Fleisch, Milch, aber auch Leder und Wolle liefern. In den meisten Fällen werden die Yaks und die anfallenden Nebenprodukte komplett verwertet, ihr Dung wird als wertvolles Brennmaterial genutzt.

Yak-Herde unterwegs

Die Nomaden aus dem weiteren Umkreis können an diesem zentralen Ort all das einkaufen, was sie nicht selbst herstellen können, sie haben aber auch die Möglichkeit, ihre eigenen Produkte, wie z.B. Yakbutter und anderes, zum Verkauf anzubieten.

Junge Tibeterin mit Kleinkind auf dem Rücken

Vor einem Laden hatte jemand sein Yak angebunden, den er für den Transport der eingekauften Waren mitgebracht hatte. Yaks werden von den Nomaden auch als Last- und Transporttiere genutzt, sie können bis zu 100 Kilo tragen.

Yak als Transporttier

Der Ort wird auch aus einem anderen Grund gerne aufgesucht: er dient als Kommunikationszentrum, in dem man sich austauschen kann, da die Familien sich sonst aufgrund der großen Entfernungen und der vielen Arbeit, die ein Nomadenleben mit sich bringt, nur selten sehen.

Unterhaltung von tibetischen Nomadenfrauen auf einer Bank in der Sonne

Die Nomaden, die wir kennenlernen durften, haben wir als sehr freundlich und zugewandt erlebt, so auch die junge Frau mit ihrem kleinen Jungen, den sie auf ihrem Rücken bei sich hatte. Sie erzählte uns, dass es bei den Nomadenfrauen so üblich sei, solange das Kind noch nicht selbst laufen kann.

Der kleine Sohn auf dem Rücken der netten Tibeterin wirkte im Gegensatz zu seiner Mutter uns Fremden gegenüber eher skeptisch. Die Mutter sagte mir, dass er noch keine Fremden gesehen hätte.

Als wir eine tibetische Nomadenfamilie in ihrem Winterquartier besuchten, begrüßte uns der Wach- und Hütehund der Familie mit lautem Gekläffe. Er war an einem Pfahl angekettet, das war uns auch lieber so, da wir nicht wussten, wie er auf fremde Besucher reagierte.

Wach- und Hütehund der tibetischen Nomadenfamilie

Die Nomadenfamilie lebt in der kalten Jahreszeit in einem festen Gebäude mit einem einzigen Raum von etwa zehn Quadratmetern. Alles Notwendige für den Alltag ist in dem Zimmer zweckmäßig untergebracht. Der Ofen in der Mitte des Raumes wird mit dem Dung der Yaks beheizt, so dass das Brennmaterial kostenfrei zur Verfügung steht.

Der Raum bietet der Familie während der Wintermonate alles Notwendige auf kleinstem Raum

Unsere Gastgeberin gab sich alle Mühe, uns mit Gebäck und Tee zu verwöhnen. Die Krapfen hatte sie bereits am Morgen zubereitet, der Tee wurde frisch gebrüht.

Die fünf Farben der tibetischen Gebetsfahnen sind auch an der Schrankwand zu sehen

Sie servierte die Krapfen und anderes Gebäck sowie den Buttertee auf dem großes Podest, das tagsüber als Sitzplatz und Tisch genutzt wird und nachts als Schlafplatz für die ganze Familie dient (tagsüber wird das Bettzeug und alles, was nicht benötigt wird, in der großen Schublade darunter verstaut).

Selbst gebackene Krapfen auf dem Podest, das tagsüber als Tisch genutzt wird und nachts als Bettfläche dient

Das tibetische Ehepaar nahm sich viel Zeit für uns und erzählte von ihrem friedlichen Leben in voller Freiheit, aber auch von den Entbehrungen und zunehmenden Schwierigkeiten, die ein Nomadenleben heutzutage in dem Land mit sich bringt.

Als die Tochter des Ehepaars mit ihrem kleinen Sohn den Raum betrat, um uns voller Stolz ihren neuen Hut zu zeigen, war ich etwas überrascht, ein solch ungewöhnliches Kleidungsstück hatte ich in dieser Umgebung nicht erwartet.

Der Hut ist der ganze Stolz der jungen Nomadin

Auch während der Rückfahrt sahen wir unterwegs immer wieder Chörten und tibetische Gebetsfahnen, auch Yak-Herden begegneten wir häufig.

Tibetische Gebetsfahnen und Chörten, Symbole für den Buddhismus

Yaks, das „Gold der Nomaden“

Das Leben der Nomaden ist hart, vor allem während der langen Wintermonate. Aber alle, mit denen ich sprechen konnte, sagten mir, dass sie das Leben im Einklang mit der Natur und ihre Ungebundenheit lieben und niemals freiwillig darauf verzichten würden. Es wäre schade, wenn widrige Umstände sie zur Aufgabe ihres jetzigen Lebens zwingen würden, denn dann würde auch der Jahrtausende alten tibetischen Nomaden-Kultur der Untergang drohen.

14 Kommentare zu „Ein Tag bei tibetischen Nomaden

  1. Die karge Landschaft spiegelt sich in der Armut der Menschen wider. Die Yak-Herden ernähren sich in dieser trockenen Einöde. Die Bewohner scheinen trotzdem glücklich zu sein. Danke für den interessanten Bericht. Ich wünsche Dir einen schönen Sonntag, liebe Marie und sende herzliche Grüße, Gisela

    Gefällt 1 Person

    1. Vielen Dank für Deinen Kommen, liebe Gisela. Die tibetischen Nomaden haben zwar ein schweres Leben in dieser unwirtlichen Gegend, aber sie lieben ihre Unabhängigkeit und sind sicher glücklicher als viele andere, die in finanziell guten Verhältnissen leben.
      Ich wünsche Dir einen schönen Sonntag. Herzliche Grüße. Marie

      Gefällt 2 Personen

  2. Diese wunderschönen und interessanten Berichte eurer Reisen faszinieren mich immer sehr, Marie und ich wäre vor allem auch in Tibet sehr gerne mit dabei gewesen!
    Trotz dem wirklich harten Leben mit vielen Entbehrungen sind diese Menschen bestimmt glücklicher und zufriedener als die meisten Menschen, die nicht nur finanziell in bei weitem Verhältnissen leben und genau das strahlen sie auch auf deinen so schönen Bildern aus, was hier zu sehen gerade so richtig gut tut!
    Liebe Grüße, Hanne

    Gefällt 1 Person

      1. Vielen Dank für Deinen netten Kommentar. Das Leben der tibetischen Nomaden ist in der Tat sehr hart, aber sie lieben ihre Freiheit und das Leben in der unberührten Natur und sind damit glücklicher als die Nomaden, die zwangsumgesiedelt wurden und die jetzt in Wohnsiedlungen leben. LG Marie

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