Es ist ein Glücksfall, wenn man Menschen begegnet, die zu besonderen Freunden werden und die einen das ganze Leben lang begleiten. Solch einen Menschen habe ich vor vielen Jahrzehnten in Buenos Aires kennengelernt. Es ist meine Freundin Angela, die meinem Leben in vielerlei Hinsicht eine positive Wende gegeben hat, als ich eine Zeitlang in Argentinien verbrachte. Obwohl wir Tausende von Kilometern entfernt wohnen und uns nur selten sehen, gehört sie zu den Personen, die mir besonders nahe stehen, und das bereits seit vielen Jahren. Es ist eine unverbrüchliche Freundschaft, die durch Großzügigkeit, Hilfsbereitschaft, Zuverlässigkeit und Loyalität gekennzeichnet ist.
Angela lernte ich bereits am ersten Tag meines Praktikums in Buenos Aires bei der Bayer-Vertretung kennen. Sie begrüßte mich herzlich und nahm mich im Sekretariat der Firma sofort in die Arme. Durch diese spontane Geste nahm sie mir das ungute Gefühl, das mich überfallen hatte, seit ich zum ersten Mal den argentinischen Boden im Hafen von Buenos Aires betreten hatte. Ich war ziemlich „unbedarft“, d.h. ohne groß nachzudenken, nach Buenos Aires gefahren, und damit war mein Mut bereits erschöpft. Ich wusste nicht, was mich in der Neuen Welt erwartete, ich kannte niemanden und zudem war ich noch nicht genug mit der spanischen Sprache vertraut.
Avenida 9 de Julio, die Prachtstraße von Buenos Aires, in deren Nähe meine Arbeitsstelle lag (Postkarte von 1963)
Ich hatte mich einige Monate zuvor dort für ein halbjähriges Praktikum beworben, das ich für mein Studium brauchte und das ich gerne in Argentinien absolvieren wollte. Erfreulicherweise hatte man mich als Praktikantin angenommen und wollte mir noch einen kleinen Beitrag zu meinen Lebenshaltungskosten zahen. Angela war damals Chefsekretärin und gewissermaßen die Seele der Firma, die in ihrer ruhigen, aber bestimmten Art alles managte und von allen hoch geschätzt wurde. Sie war auch wegen ihrer Herzlichkeit und einfühlsamen Art bei allen beliebt. Als sie mich begrüßt hatte, machte mich Angela auch mit den anderen Angestellten bekannt, die mich ebenfalls herzlich begrüßten (was für ein Unterschied zu den anderen Praktika, die ich vorher gemacht hatte).
Angela ist in Deutschland geboren und ist nach dem Zweiten Weltkrieg mit ihren Eltern nach Argentinien ausgewandert, weil ihr Vater dort eine Stelle als Chemiker bekommen hatte. Angela nahm mich von Anfang an unter ihre Fittiche, lud mich immer wieder zum Wochenende in ihre Familie ein und blieb die ganze Zeit über mein „Engel“ der immer im Hintergrund blieb, aber half, wenn es nötig war (Angela ist die weibliche Form des männlichen Namens Angelus und bedeutet übersetzt „der Engel“).
Angela bei einer Preisverleihung durch Emil von Behring, dem Leiter der Bayer-Vertretung
Einige Zeit nach meiner Ankunft gab es für alle Beschäftigten bei der Bayer-Vertretung ein Betriebsfest, das außerhalb von Buenos Aires auf einem firmeneigenen Gelände der Bayer-Vertretung in Form eines typisch argentinischen Asados stattfand. Angela hatte alles hervorragend organisiert, so dass Hunderte von Personen kommen konnten und satt wurden. Es waren allerdings nicht nur Bayer-Angehörige dabei, sondern auch etliche andere, die davon gehört hatten und teilnehmen wollten. Das war bei der sprichwörtilichen argentinischen Gastfreundschaft kein Problem, denn es gab genug zu essen und zu trinken, jeder war willkommen. Es war ein fröhliches Fest, bei dem alle in irgendeiner Form mitarbeiteten, es wurde stundenlang gegessen, getrunken, gelacht und getanzt.


Während des Betriebsfestes hielt der Chef und Gründer der Bayer-Vertretung Emil von Behring die Begrüßungsrede. Er war ist der Sohn des gleichnamigen ersten Nobelpreisträgers für Medizin, der eine aktive Schutzimpfung gegen Diphterie entwickelt hatte und dafür den Nobelpreis erhielt. Das erfuhr ich allerdings erst nach meiner Rückkehr, denn damals spielten in Buenos Aires Titel, welcher Art auch immer keinerlei Rolle, es zählte allein die Persönlichkeit des Menschen.
Der Leiter der Bayer-Vertretung Emil von Behring bei seiner Begrüßungsrede (ich sitze in der Mitte mit Sonnenbrille)
Als mein sechsmonatiges Praktikum beendet war, ermöglichte Angela mir, dass ich noch zwei weitere Monate in der Firma arbeiten konnte und dafür weiterhin einen Beitrag erhielt, der mir erlaubte, eine Rundreise durch Lateinamerika zu machen. Angela hatte mir ein preiswertes Studenten-Flugticket bis Mexiko besorgt, mit diesem Ticket konnte ich während der Rückkehr nach Buenos Aires in verrschiedenen Ländern einen Halt machen, um etwas von den betreffenden Ländern zu sehen. Inzwischen war ich wirklich selbstständig geworden – dank der Unterstützung von Angela – und konnte auch gut Spanisch sprechen, so dass es in dieser Hinsicht keine Schwierigkeiten gab.
Palacio de Bellas Artes (oben) und Zentrum von México-City (Postkarten von 1963)
s.auch https://seniorenumdiewelt.wordpress.com/2020/07/02/reise-nach-mexiko-1963/
Da Angela etwas Sorge hatte, dass es für mich als alleinreisende junge Frau in lateinamerikanischen Ländern in der damaligen Zeit nicht einfach sein würde, hatte sie vorher einige der Bayervertretungen angeschrieben, damit sie mir während meiner Reise eventuell behilflich sein konnten. Die höheren Angestellten der Bayerfilialen in den verschiedenen Ländern kannten sich untereinander, sei es aus Telefonaten oder auch persönlich.
Für mein erstes Reiseziel in Mexiko hatte Angela für mich ein kleines Zimmer bei einer deutschstämmigen Bayer-Angestellten besorgt. Das war für mich sehr hilfreich, da die Bekannte mir unter anderen ermöglichte, einiges von Mexiko kennenzulernen. Ich durfte immer im Auto mitfahren, wenn ein höherer kirchlicher Würdenträger oder ein ranghoher Besucher von den Bayerwerken in Leverkusen zu Besuch war und etwas vom Land sehen wollte. So lernte ich viele Sehenswürdigkeiten außerhalb von Mexiko-City kennen, zum Beispiel die bedeutende archäologische Stätte Teotihuacán, außerdem die „Silberstadt“ Taxco und andere Städte in Mexiko, wie zum Beispiel Cuernavaca und Puebla.
Auch in Lima, Peru, hatte Angela für mich eine Unterkunft besorgt,. Das ermöglichte mir, in den ersten Tage die interessante Stadt Lima zu erkunden und auch eine Reise nach Machu Picchu zu organisieren.
Plaza San Martín in Lima, Peru ( Postkarte von 1963)
s.auch https://seniorenumdiewelt.wordpress.com/2022/11/19/abenteuerliche-busreise-nach-macchu-pichu/
Als ich von der Lateinamerika-Rundreise zurückkam, konnte ich während eines längeren Zeitraums bei Angela und ihrer Familie wohnen, denn mein voriges Zimmer war bereits vermietet. Da ich die Rückfahrt nach Deutschland nicht von Buenos Aires antreten wollte, sondern noch etwas von Brasilien sehen wollte, hatte Angela für mich den Kontakt zu deutschen Freunden von ihr hergestellt, die beruflich in Rio de Janeiro lebten. Die Familie lud mich daraufhin ein, sie in Rio zu besuchen. Ihre Wohnung lag wunderschön, direkt am Strand von Copacabana. Ich konnte mich in der damaligen Zeit frei in Rio de Janeiro und der Umgebung bewegen, es schien mir völlig ungefährlich zu sein, und so nutzte ich die Zeit, um möglichst viel von der Stadt zu sehen. Meine Gastgeber hätten mir gerne noch vieles gezeigt, aber ich nahm das Angebot nur einmal an (Petrópolis, bekannt als „Kaiserliche Stadt“), denn Rio bot so unendlich viel an Atmosphäre und Lebensfreude, dass ich diese unbeschwerte Zeit eigenständig genießen wollte.
Blick von oben auf den Corcovado, den Zuckerhut (Pão de Açúcar), das Zentrum von Rio und die Bucht von Guanabara


Drei der schönsten Strände von Rio de Janeiro: von links: Ipanema, Copacapana und Leblon ( Postkarten von 1963)
s. auch https://seniorenumdiewelt.wordpress.com/2020/07/25/von-buenos-aires-nach-rio-de-janeiro-1963/
Später habe ich noch zweimal meine Freundin Angela und ihren Mann Uli in Buenos Aires besucht. Im Jahr 2001 war ich mit meiner Tochter dort. Während mehrerer Wochen konnten wir bei ihnen wohnen und von dort aus selbst Buenos Aires erkunden. Angela fuhr mit uns auch zu ihrer jüngeren Schwester Christel, die mit ihrem Mann auf einer Farm etwa 200 Kilometer nördlich von Buenos Aires wohnte. Während mehrerer Tage lernten wir das Leben auf einer typisch argentinischen Farm mit Rindern, Schafen und anderen Tieren kennen. Christel zeigte uns auch ihr kleines Geschäft in Gualeguaychú, einer Stadt im östlichen Argentinien im Südosten der Provinz Entre Ríos, wo sie arbeitete. Sie fuhr mit uns auch nach Uruguay, um die Gegend dort zu erkunden, den breiten Strand des Río Uruguay zu genießen und um im breiten Fluss zu schwimmen.
Später besuchte Angela mit uns Verwandte, die auf einer Insel in Entre Ríos in einem großen Haus auf Stelzen lebt. Dort lernten wir das alltägliche Leben der Inselbewohner kennen, die zum Einkaufen und den Schulbesuch immer das Boot als Beförderungsmittel benutzten. Durch die beispiellose Gastfreundschaft verbrachten wir mit Angela und unseren Gastgebern schöne und fröhliche Tage im Gebiet der vielen Inseln von Entre Ríos.


Christel , Vanessa und Angela auf dem Campo Angela mit Vanessa und einer Nichte
Mit meinem Mann war ich noch einmal vor einigen Jahren in Argentinien, um Angela und Uli in Buenos Aires zu besuchen. Die beiden verwöhnten uns, wo immer sie konnten. Sie ließen es sich auch nicht nehmen, mit uns eine wunderbare Tagesfahrt mit dem Schiff durch das Delta des Río de la Plata zu machen, auf diese Weise lernten wir eine der schönsten Naturlandschaften von Argentinien kennen.
Mein Mann (rechts) mit Angela und Uli, unseren Freunden und Gastgebern in Buenos Aires
Angela und ihr Mann Uli waren in den vergangenen Jahrzehnten auch einige Male in Deutschland, teils aus geschäftlichen Gründen, aber vor allem auch, um Verwandte und Freunde zu besuchen, Angela hatte sogar einen runden Geburtstag mit zahlreichen Menschen in Deutschland gefeiert. Auf einer Reise hatten sie ihre vier Adoptivkinder mitgenommen, damit diese auch etwas von Deutschland sehen konnten.
Angela und ich sind bis heute regelmäßig in Kontakt. Noch immer tauschen wir uns aus; durch das Internet ist vieles möglich geworden, was früher undenkbar war. Angela hat mir in all den vielen Jahren sehr viel gegeben, ohne jemals eine Gegenleistung zu erwarten. Für ihre Freundschaft bin ich ihr unendlich dankbar.
Great photos! Thank’s for share Marie.
Have a wonderful and relaxing weekend!
Elvira.
LikeGefällt 1 Person
Muchas gracias por tus palabras, Elvira. Te deseo un maravilloso domingo.
Marie
LikeGefällt 1 Person
Gracias a ti Marie por compartir
Excelente inicio de semana también.
Cuídate .
Elvira.
LikeGefällt 1 Person
🙋♀️⭐️❤️🙋♀️⭐️❤️🍀🍀🍀
LikeGefällt 1 Person
Vielen Dank, liebe Monika-Maria.
LikeGefällt 1 Person
💕
LikeGefällt 1 Person
Hat dies auf Ned Hamson's Second Line View of the News rebloggt.
LikeGefällt 1 Person
Muchas gracias, Ned.
LikeGefällt 1 Person
Liebe Marie, danke für Deinen Beitrag. Wirklich eindrucksvolle Erlebnisse, unterstrichen mit vielen Fotos. Eine Freundschaft wie diese, ist nicht selbstverständlich. Alles Gute für Dich und Deine Freundin. Herzliche Grüße, Gisela
LikeGefällt 1 Person
Vielen Dank für Deine netten Worte, liebe Gisela. Für solch eine lange und besondere Freundschaft bin ich sehr dankbar. Ich wünsche Dir alles Gute, liebe Grüße,
Marie
LikeGefällt 1 Person
🌹
LikeGefällt 1 Person
Vielen Dank.
LikeGefällt 1 Person
Ein wahrer Engel, deine Angela. Konntest du sie auch mal in Deutschland begrüßen?
LikeGefällt 1 Person
Vielen Dank, liebe Anke, Angela ist wirklich ein „Engel“, ich habe sie nie von einer negativen Seite erlebt. Sie war beruflich öfters in Deutschland, meist mit ihrem Mann, und wir haben ihren 70. Geburtstag in Deutschland mit einer großen Runde gefeiert. LG Marie
LikeGefällt 1 Person
Un’amicizia così è il vero tesoro di una vita! Angela, da quello che racconti con dolcezza e nostalgia, è un Angelo di nome e di fatto. Sono contenta per te. 🙋♀️
LikeGefällt 1 Person
Grazie mille per il tuo bel commento, che mi ha fatto molto piacere.
LikeLike
Was für eine schöne Hommage an eine liebevolle und treue freundin. Sie sind gesegnet, jemanden wie Angela in Ihrem Leben zu haben. Ich bin sicher, sie empfindet dasselbe für dich. Ich weiß ich tue. Viel Liebe, A.
LikeGefällt 1 Person
Über Deinen netten Kommentar habe ich mich sehr gefreut, liebe Anna, vielen Dank dafür. Ich bin wirklich sehr dankbar, jemanden wie Angela kennengelernt zu haben, aber ich glaube, dass auch sie über unsere Freundschaft froh ist (das hat sie jedenfalls während während meiner Abwesenheit an meine Mutter geschrieben). Angela ist tief im Glauben verwurzelt, und das merkt man auch an all ihren Handlungen zugunsten anderer.
Ganz liebe Grüße nach Maryland, Deine Freundin Marie
LikeGefällt 1 Person
Liebe Marie,
was für eine wunderbare Geschichte! So eine Freundschaft ist etwas ganz Besonderes. Und dazu die alten Fotos und Postkarten – herrlich! Vielen Dank fürs Teilen.
Liebe Grüße
Elke
LikeGefällt 1 Person
Liebe Elke,
über Deinen netten Kommentar habe ich mich sehr gefreut, vielen Dank dafür. Solch eine Freundin wie Angela zu haben, ist ein besonderes Geschenk, dessen bin ich mir immer wieder bewusst.
Liebe Grüße,
Marie
LikeLike
Great photos.
LikeGefällt 1 Person
Thank you very much, Anita.
LikeLike
La historia de una gran amistad. Es un honor y un privilegio -bendición, diría yo-, coincidir con una persona auténtica y especial que te ofrece lo mejor de sí. Te felicito por esa gran amistad que encontraste en Sudamérica, la cual ha perdurado hasta la fecha. Felicidades, Marie.
LikeGefällt 1 Person
Me alegró mucho tu lindo comentario, Santiago, muchas gracias. No hace falta decir que una amistad dura tanto y le estoy muy agradecido a mi amiga por eso.
LikeGefällt 1 Person
Eso es maravilloso, Marie. Lo celebro.
LikeGefällt 1 Person